Letzte Woche konnte man Sygns beim Durchstreifen der Installationen und Galeriestände der berüchtigten Kunstmesse in Basel antreffen, auf der Suche nach Neon-Kunstwerken und mit dem Ziel, mehr über die Position zu erfahren, die Neon heute in der zeitgenössischen Kunstwelt einnimmt.
Wir starteten mit einem Lauf durch den Flughafen, um den schrecklich frühen Flug um 6 Uhr nach Basel nicht zu verpassen, und wurden direkt in die hektische Kunst-Jetset-Routine hineingeworfen, zu der auch gehörte, dass wir im Flugzeug neben einem sehr mürrischen Mann in einem gelben Anzug saßen, der ein Schild mit der Aufschrift "Capitalism is not art" (Kapitalismus ist keine Kunst) hielt, ebenso wie ein wunderbar leckeres und überteuertes Schweizer Frühstück und eine Fahrt durch die magische Altstadt von Basel. Dann begann die Suche.
Die Jagd war reizvoll und ergiebig: Neons waren an jeder Ecke zu finden, versteckt hinter iPhone-bewaffneten Menschenmassen, die sie bestaunten und instagrammten. Und je weiter der Tag voranschritt, desto klarer wurde die Frage nach dem Stellenwert von Neon in der zeitgenössischen Kunst: Hat es Neon geschafft, den Status einer eigenständigen Kunst zu erlangen, oder wird es immer noch als Medium benutzt, um auf eine verdrängte Bedeutungsquelle hinzuweisen?
1. Neon-Kunstwerk als Sign

Su-Mei Tse, White Noise, Galerie Tschudi
White Noise von Su-Mei Tse, das mit dem darüber angebrachten Neon Sign "Stille Disco" zusammenwirkt, wäre ein klares Beispiel für die Verwendung von Neon gemäß seiner traditionellen Verwendung als Werbeträger: Es funktioniert so, wie die berühmten Leuchtreklamen in der Wüste Nevadas auf einen "Shake Joint" am Straßenrand hingewiesen haben. |
2. Ein Neon Sign als Kunstwerk

Tobias Rehberger,自由 (Engl.: Freedom), Galerie Urs Meile
Interessanterweise wäre die nächste Stufe der Gleichung Tobias Rehbergers 自由 (Deutsch: Freiheit), bei dem ein Neonreklameschild selbst zum Kunstwerk wurde.
Das animierte Neon leuchtet gegensätzlich das chinesische Zeichen für "Freiheit" (自由) und das englische "gone fishing" auf. Angelliebhaber, oder jeder, der welche kennt, wird die Ironie des Gegensatzes zwischen dem friedlichen Hobby und der weniger ruhigen Freizeitbeschäftigung, die üblicherweise auf Neonschildern beworben wird, erkennen, obwohl beide wahrscheinlich gleichermaßen befreiend sind. |
3. Neon jenseits dessen, was es darstellt

Mary Weatherford, David Kordansky Gallery
Die Werke von Mary Weatherford kombinieren harmonische, farbige Formen und vom Himmel inspiriertes Licht und verführen dazu, sich in den glühenden Stimmungen und hübschen Umgebungen zu verlieren, an die sie erinnern. Aber es ist vor allem ihr verfremdender Einsatz von Neon, der die Schärfe ihres Werks verbirgt: Ihre Arbeiten porträtieren hektische Ecken von Städten wie L.A. und NYC, doch indem sie eine gewisse Oberflächlichkeit beibehält – in dem Sinne, dass sie sich nicht mit den formalen und inhaltlichen Besonderheiten der Gebäude oder der Neonschilder befasst –, gelingt es ihr, den Kern der emotionalen und subjektiven Energie dieser Orte zu treffen.
Damit positioniert sich Weatherford sehr weit oben im Spektrum der künstlerischen Emanzipation des Neons, denn indem sie das Neon nur andeutet, ohne es tatsächlich von seiner urbanen Identität zu trennen, gelingt es ihr, Gefühle und Ideale hervorzurufen, von denen man annehmen würde, dass sie sich dem Neon völlig entziehen. |
4. Mystische Neonobjekte

Bethan Huws, L’Arbre, Galleria Vistamare
Der ultimative Schritt in der Befreiung des Neons von seiner Assoziation mit kultureller Beschilderung war zweifellos auf der Art Basel in der Unlimited Hall vertreten, zum einen durch das atemberaubende L'Arbre der Künstlerin Bethan Huws und ihre kollektive Installation Forest, zum anderen durch Francois Morellets π Weeping Neonly.

Bethan Huws, Forest, Galerie Tschudi
Die Installation Forest von Bethan Huws hat unser Herz gestohlen. Da Duchamps Werk ihre gesamte künstlerische Entwicklung stark beeinflusst hat, ist Forest speziell als Feier des 100-jährigen Jubiläums von Duchamps bahnbrechender Einführung des "Readymade" in das Herz jeglichen Denkens und/oder jeder Theorie über die Identität der Kunst gedacht.
Während Sherrie Levine Duchamps Pissoire vergoldet und damit monumentalisiert hat, hat Huws eines von 88 handelsüblichen Flaschenregalen (porte-bouteilles) in Neon nachgebaut. Wie Levine spielt auch Huws mit der Wiederholbarkeit des Kunstwerks, die Duchamps Konzept des Readymades impliziert, wobei Huws das Konzept noch einen Schritt weiter führt, indem sie einen Wald daraus macht. Ähnlich wie Duchamp einen alltäglichen Gegenstand aus seinem Kontext in ein künstlerisches Umfeld holte, um den Betrachter dazu einzuladen, ihn in einer alternativen Wahrnehmung zu analysieren, greift Huws auf Neon zurück, um die gleiche Reaktion hervorzurufen. |
5. Neon als Neon
Francois Morellet, π Weeping Neonly, A Arte Invernizzi
Und schließlich erreichte François Morellet mit einer scheinbar unsystematischen Anordnung klassischer blauer Neonlinien den reinsten Grad an Neonkunst, der dieses Jahr auf der Art Basel zu finden war.
Morellet, der Neon bereits in den 60er Jahren zu seinem künstlerischen Medium gemacht hat, arbeitet daran, Neon von seinen kulturellen Assoziationen zu befreien und ganz allgemein die Form vom Inhalt zu trennen, indem er abstrakte und geometrische Prinzipien anwendet, die seine Bildfläche zu einer vorurteilsfreien Dimension machen. In π Weeping Neonly sollen die Neonsegmente, die nach Pi-Formeln organisiert sind, lediglich auf sich selbst verweisen.
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